ICH SEH, ICH SEH, WAS DU NICHT SIEHST

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Gestern nahm ich an einer Fortbildung des ÖBS – dem österreichischen Bundesnetzwerk für Sportpsychologie – in Wien teil. Thema: Visuelle Leistungsfähigkeit. Der Workshop stellte sich als ungemein spannend und lehrreich heraus. 

Die Quintessenz von Eva Holzinger, unserer Workshopleiterin: "Das Auge sieht, das Gehirn verarbeitet und der Körper folgt. Jede schnelle Handlung beginnt mit der Wahrnehmung. Das Auge beeinflusst 90% unserer Wahrnehmungen, weshalb seine Leistungsfähigkeit der Schlüssel für sportlichen Erfolg ist. Ein Großteil von Fehler im Sport basiert auf optischen Falscheinschätzungen, die zu fehlerhaften Entscheidungen (technisch oder taktischer Art) führen. Folglich führt ein leistungsstarkes Sehen zur schnelleren Wahrnehmung und damit zu richtigen Entscheidungen."

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Gleich zu Beginn ein sehr interessanter Fakt – wusstet ihr, wie sehr das ständige aufs Handy oder Computer schauen tatsächlich unsere Augen anstrengt?

Bis zu einer Entfernung von etwa 6m schauen wir konvergent. Das heißt übersetzt, die Augen „neigen sich zueinander“ (Akkomodation), was unerlässlich ist, um 1. ein Bild auf kurzer Distanz scharf zu sehen und 2. ein Bild nicht doppelt wahrzunehmen (logisch, wir sind ja binokular/ zweiäugig). Dieses Akkomodieren der Augenmuskulatur strengt diese natürlich an. Wir können uns das übertragen mit folgendem Beispiel vorstellen: man stelle sich vor, man müsse den ganzen Tag einen schweren Einkaufssack mit angewinkeltem Arm in der Hand halten – wie lange hielte man das durch? Wahrscheinlich nicht sehr lange! Jetzt überlegen wir uns mal umgekehrt, wie viel Zeit verbringen wir täglich vor dem Computer oder dem Handy – sei es in der Arbeit, Schule, beim Sport, bei der Anreise zu einem Wettkampf, vielleicht sogar während eines Wettkampfs...? Ich glaube, die meisten von uns verbringen tatsächlich einen Großteil unserer Zeit davor und insofern dürfen wir uns hier alle bei der Nase nehmen (ich selbst darf mich da nicht ausschließen). Diese Bewegung strengt nämlich unsere Augen und somit unser Gehirn an, welches im Anschluss nach Erholung schreit. Aber wie oft geben wir unserem Hirn tatsächlich diese Erholung, welche es braucht? Wisst ihr wie lange das Gehirn bzw. die Augen bräuchten, um sich gänzlich von den "muskulären Strapazen" des Handyspielens regenerieren zu können? Als ich die Zahlen hörte, konnte ich diese beinahe nicht glauben: 

  • 1 Stunde Handy/ Computer: 10 Minuten Erholungspause
  • 3 Stunden Handy/ Computer: 1 Stunde Erholungspause
  • 8 Stunden Handy/ Computer (=eine Anfahrt zu einem weitgelegenen Wettkampfort, Film schauen im Flugzeug, ein normaler Arbeitstag): 24 Stunden Erholungspause!

Jeder von euch kann jetzt für sich überlegen, inwiefern er selbst solche Erholungspausen aktiv einplant bzw. macht... Man stelle sich nun vor, man muss nach einer solchen visuellen Anstrengung Höchstleistungen erbringen, welche unsere volle Aufmerksamkeit und Konzentration verlangt! Nicht zuletzt aus diesem Grund haben einige Sportvereine in Deutschland ein Handyverbot vor (wichtigen) Spielen ausgesprochen...

Überlegt euch nun, inwiefern ihr selbst eure Routinen und Wettkampfvorbereitungen verbessern könnt, um bestens vorbereitet und so erholt wie möglich zu einem Wettkampf zu kommen. Wie viel Zeit verbringt ihr normalerweise vor eurem Handy vor einem Wettkampf oder Training? Konnten ihr vielleicht sogar schon mal Konzentrationseinbuße feststellen? Ist euch schon mal aufgefallen, dass eure Trainingsleistung schlechter wird, wenn ihr bspw. den ganzen Tag vor dem Computer gearbeitet habt und ihr anschließend zum Training geht?

Ist die Verarbeitung von visuellen Reizen nicht stabil genug oder u.U. fehlerhaft, ist das Gehirn gefordert, diese Fehler zu kompensieren – und das wiederum kostet Kraft, Energie und Konzentration, welche uns dann bei der eigentlichen sportlichen Tätigkeit – bei der Technikausführung, richtiges taktisches Verhalten, Planung, etc. – abgeht.

Trainieren wir unsere visuelle Leistungsfähigkeit – unsere Motilität, Beidäugigkeit, Akkomodation und Gehirnintegration – können wir die Verarbeitung visueller Reize verbessern sowie die Stressresistenz unseres visuellen Systems. Darüber hinaus können wir durch visuelles Training auch unseren präfrontalen Kortex trainieren – der Bereich unseres Gehirns, welcher verantwortlich ist für unsere Entscheidungsfindung, Planung, Motivation, Abwägen von Konsequenzen, Priorisierung. Dieser Bereich entscheidet u.a. ob wir in Stresssituationen "cool" bleiben oder in Panik geraten und Fehler machen. Je mehr wir diesen Bereich trainieren, desto größer die Wahrscheinlichkeit, auch Drucksituationen standhalten und mit einem "kühlen Kopf" klare, strategisch gute Entscheidungen treffen zu können. Ergo, trainieren wir unsere visuelle Leistungsfähigkeit, trainieren wir nicht nur die visuelle Verarbeitung von Reizen, sondern auch um Stresssituationen standzuhalten. 

Hier ein paar Übungen für zu Hause:

  • Jongliere – während du im Hintergrund an die Wand projizierte Zahlen liest (jonglieren per se ist bereits eine gute Übung zur Gehirnintegration)
  • Lege eine Schnur auf dem Boden auf und lege Zahlen auf drei verschieden farbigen Kärtchen (bspw. blau, gelb, rot) links und rechts von der Schnur auf. Nun hüpfe von einem Ende der Schnur zum anderen. Bei einem gelben Kärtchen darfst du nur auf deinem linken Bein hüpfen, bei einem roten nur auf deinem rechten Bein. Bei einem blauen Kärtchen, hüpfe beidbeinig. Ist die Übung zu einfach, kannst du während des Hüpfens die Zahlen auf den farbigen Kärtchen addieren.
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  • Strecke den Arm mit dem einen Daumen nach oben vor deinem Gesicht aus und den anderen Arm mit Daumen hoch dahinter. Dann fixiere zuerst den vorderen Daumen und konzentriere dich darauf, wie der Daumen dahinter plötzlich doppelt zu sehen ist. Dann wechsle mit deiner Aufmerksamkeit auf den Daumen dahinter und beobachte, was mit deinem vorderen Daumen passiert!
madeleine craneComment